Zuflucht zu Buddha, Dharma, Sangha – sinnvoll?

Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha – was bedeutet es eigentlich für uns, oder bedeutet es nichts?

Diese Zeilen sollen mit zwei Zitaten beginnen:

“Wo der Geist keinen Ort hat, an dem er stehen bleiben kann, dort ist Mahâmûdrâ gegenwärtig. Durch die Pflege einer solchen Haltung erreicht man höchste Erleuchtung. Die Schatzkammer des ursprünglichen Geistes ist frei von selbstischen Leidenschaften und leuchtet wie der unbegrenzte Himmel”. (Tilopa)

Lama Govinda wurde nicht müde, seine Schüler an folgenden Ausspruch des Buddha zu erinnern: “So wie das Meer einen einzigen Geschmack hat, den des Salzes, so hat meine Lehre einen einzigen Geschmack, den der Befreiung.”

Beide Zitate lassen die großartige Vision des Buddha in der Nacht seiner Erleuchtung anklingen. Diese Vision und das Erleuchtungserlebnis war dann der Ausgangspunkt für die mehr als 40-jährige Arbeit des Buddha, um den Menschen einen Weg dorthin zu zeigen, wo der Geist keinen Ort hat, an dem er stehen bleiben kann. Buddhas Vision weist hin auf die totale Befreiung des Geistes. Es ist also eine Meditationserfahrung. So ist, was wir Buddhismus nennen, ein großartiger Weg der eigenen inneren Erfahrung, angeleitet von der Lehre des Buddha als Wegweiser.

Ein Buddhist ist jemand, der nicht nur diesen Weg und dessen Ideale anerkennt, sondern der es auch als möglich erachtet, diese Ideale zu verwirklichen, und der sich deshalb diesem Weg öffnet und sich engagiert. Er oder sie ist bereit, die Hindernisse beiseite zu räumen, die der Verwirklichung im Wege stehen. Es ist dieses Engagement, das den Buddhisten ausmacht.

Traditionell gesehen drückt sich dieses Engagement in dem Akt aus, den wir Zuflucht nennen. Zuflucht zu Buddha, Dharma (Dhamma auf Pali) und Sangha.

„Buddham saranam gacchâmi“ lautet die uralte Formel. Auf Deutsch oft übersetzt mit: „Ich nehme meine Zuflucht zu Buddha“. Aber fliehen wir irgendwo hin?
Nein!
Der Buddha wollte nicht, dass wir vor dem Leben in allerlei Pseudobeschäftigungen fliehen, sondern dass wir uns dem Leben stellen, was erst einmal bedeutet, dass wir mit Aufmerksamkeit/Achtsamkeit beginnen müssen zu sehen, wer wir sind. Das Wort „sarana“ bedeutet auch Schutz, Hilfe, ein Dach über dem Kopf; es ist jedoch kein Ort, an dem man sich versteckt. Im Gegenteil, es handelt sich um einen Zustand, in dem der Geist keinen Ort hat, an dem er stehen bleiben kann.

Ich NEHME meine Zuflucht zu Buddha? Nein, wir nehmen auch nichts. „Gacchâmi“ bedeutet ganz einfach “ich gehe” (1. Person Präsens Indikativ Aktiv der Wurzel gam = gehen). Denn nehmen würde bedeuten, dass wir etwas festhalten wollen, was wir nach der Lehre des Buddha im Grunde genommen gar nicht können. Im Gegenteil, der Buddha fordert uns auf, dorthin zu gehen, wo der Geist keinen Ort hat, an dem er stehen bleiben kann. Das Gleiche gilt natürlich auch für die beiden folgenden Formulierungen:

Dhammam saranam gacchâmi
Sangham saranam gacchâmi

Wir fliehen nicht zu Buddha, Dharma oder Sangha, sondern wir gehen zu Buddha, Dharma und Sangha als Schutz und Wegweiser. Wir können selbst die Lehre, den Dharma, nicht festhalten. Die berühmte Parabel des Buddha über seine Lehre als Floss sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen.

Deshalb könnte man vielleicht dem Wort „Zuflucht“ auch die Bedeutung von „Engagement“ verleihen. Wir öffnen uns, was auch mit Hingabe verbunden ist. Die Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha ist auch keine einmalige Handlung, sondern sie ist ein ständiger Wegbegleiter, ein kontinuierliches Hineinwachsen, ein aus der persönlichen Praxis resultierendes Verstehen der Lehre durch Ethik, Studium und Meditation. Aus dieser Vertiefung erwächst Vertrauen, Saddha auf Pali. Das ist kein blinder Glaube, sondern ein innerer Antrieb. Erst dann werden die drei Juwelen zu einer wahren Zuflucht, zu einem allumfassenden Engagement.

Wenn man mich fragen würde, ob es für jemanden, der sich gerade erst der Lehre des Buddha zu nähern beginnt, sinnvoll sei, gleich mit dem Akt der Zuflucht zu beginnen, würde ich davon abraten. Für die Zuflucht bedarf es der inneren Erfahrung durch über einen gewissen Zeitraum regelmäßig ausgeübte Meditation, denn ein rein intellektuelles Verständnis der Lehre kann selten die Quelle sein, aus der wirkliches Engagement gespeist wird. Die eigene innere Erfahrung lässt uns wachsen, und erst dann kann das Erlebnis der Zuflucht auf mehreren Ebenen zum Ausdruck kommen, nämlich als:

A) ein echtes Gefühl für die Lehre des Buddha und die darin formulierten Ideale und der starke Wunsch, gerade diesen Weg zu gehen. Eine kurz aufblitzende tiefe Meditationserfahrung wird hier meistens gemacht. Oft bleibt es jedoch dabei, denn so vieles andere pflegt dazwischen zu kommen. Die Zuflucht und das daraus resultierende erste Engagement wird von anderen Interessen und Verpflichtungen in den Hintergrund gedrängt. Die erste heiße Flamme ist niedergebrannt, und die Ideale der Zuflucht laufen Gefahr, in den Dornröschenschlaf zu versinken.

B) eine Vertiefung der eigenen Erfahrung aus der Praxis der Lehre, sodass die Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha der zentrale Punkt im Leben geworden ist. Es gibt keinen Weg zurück. Die drei Juwelen sind nun wie leuchtende Sterne am Nachthimmel ein Wegweiser in der Dunkelheit. Die tägliche Praxis des Dharma wird vom Gefühl der Freude getragen.

Geht es uns nicht oft so, dass wir sehr beschäftigt sind mit Familienleben, Arbeit, Freizeitinteressen und manchmal auch politischen Aktivitäten? Ab und zu besuchen wir Kirche, Tempel oder Moschee, vielleicht zu Taufe, Hochzeit oder Beerdigung – und im Grunde genommen sind wir ganz zufrieden damit. Hochzeiten können sehr freudig sein, man trifft Verwandte und Freunde, isst und trinkt gut, tanzt. Nun ja, ein wenig religiöse Zeremonie bei der Hochzeit muss man dann eben in Kauf nehmen.

Aber plötzlich ereignet sich etwas, das uns erschüttert. Beim Buddha waren es die in den Pali-Sutren geschilderten vier Ausflüge aus dem Palast, bei denen er mit Alter, Krankheit, Tod und einem wandernden Asketen konfrontiert wurde. Der 6. Zen-Patriarch Hui Neng wurde tief berührt, als er auf einem Markt etwas verkaufte und aus einem nahen Tempel das Diamantsutra rezitieren hörte. Es veränderte sein Leben. Bei mir selbst war es – bei stark empfundener spiritueller Ambivalenz während meiner ersten Indienreise 1981 – die Erfahrung des Nachhausekommens in Buddha-Gaya, wo ich dann einen ganzen Monat blieb. Religionen können uns inspirieren und helfen, reifer zu werden und unser höchstes Potential zu entwickeln.

Was bedeuten nun Buddha, Dharma und Sangha, zu denen wir um Zuflucht gehen?

Der Buddha ist zuerst einmal der ehemalige Prinz und spätere Asket Siddharta Gotamo, der zum Buddha Shakyamuni wurde, und der eine auf seinem Erleuchtungserlebnis aufbauende Lehre verkündet hat. Aber Zuflucht bedeutet auch Zuflucht zum Buddha als dem Erleuchtungsfunken und dem verwirklichten Zustand der Erleuchtung.

Im Mahâyânottaratantrashastra können wir lesen: “Letztlich ist die Zuflucht der Buddha und allein der Buddha. Weil der Heilige den Dharmakaya verkörpert, und was den Sangha betrifft, so repräsentiert er den vollkommenen Sangha”.
Auch Meister Asanga war dieser Auffassung: “Die unausschöpfliche Zuflucht, die ständige Zuflucht, die ewige Zuflucht, die erhabendste Zuflucht ist eine und nur eine. Was ist das? Es ist der Tathâgata, der Arahat, der völlig und äußerst perfekte Buddha”.

Vom Gesichtspunkt der Verwirklichung wird der Buddha im Mahâyâna und Vajrayâna deshalb als vollkommen angesehen, weil er die drei Kayas verkörpert, d.h. den Dharmakaya, Sambhogakaya und Nirmanakaya. Der Dharma wird in dieser Definition auch dargestellt als Dharma des Friedens und des Nirvâna, und der Sangha wird hier definiert als der Sangha der Bodhisattvas auf der Ebene sublimer Verwirklichung.

Der Dharma als Lehrgebäude sind die erst mündlich bewahrten und später aufgeschriebenen Unterweisungen des Erhabenen als formulierte Philosophie, Ethik und Meditationsanleitung, wie wir sie z.B. in ihrer ältesten bewahrten Form im Pali-Kanon finden. Dharma ist aber auch die persönliche Erfahrung und Umsetzung, z.B. der 4 Edlen Wahrheiten im eigenen Leben durch die Praxis der Meditation und die Anwendung von Metta, Karuna, Mudita und Upekkha im Alltag.

Der Dharma, der von der Gemeinschaft – dem Sangha – praktiziert wird,  ist jedoch vergänglich – denken wir an das Gleichnis vom Floss. Im “Sutra von der großen Befreiung” können wir lesen: “Kurz ausgedrückt ist die Zuflucht eine einzige, aber ausgedrückt als Methode ist sie dreifach (Buddha, Dharma und Sangha)”.

Der Sangha war ursprünglich der Sangha der Mönche und Nonnen, sowie der ordinierten Laien (Bhikkhu, Bhikkhunî, Upasaka, Upasîka), also der Caturvarga, die vier Zweige des Arya Sangha, wie beschrieben vom Buddha im Lehrtext: Die Juwelen des Sangha (Pali Kanon: Anguttara Nikaya IV, 7). Aus der Sicht des Mahâyâna gehört auch der Bodhisattva-Sangha hierher, und einige heutige Lehrer des Buddhismus haben den Sangha auch als die Gemeinschaft der Praktizierenden definiert.

Der Sangha findet meiner Meinung nach seinen stärksten Ausdruck in einer Gruppe von Menschen – monastisch oder nicht –, die den Weg des Buddha wirklich zu gehen versuchen und die sowohl in ihrer Praxis eine Vollendung und Harmonisierung der persönlichen Entwicklung sehen, als auch ein stark ausgeprägtes Gefühl und den Wunsch haben, dass ihre Praxis zum Wohle aller Wesen beitragen möge.

Unser großes Vorbild für den Sangha ist der Weg des Bodhisattvas: Wesen, die nicht ruhen, um anderen den Weg zur Befreiung von Hass, Wahn und Verblendung zu zeigen und die sogar ihr Leben einsetzen, um anderen Wesen zu helfen. Denken wir an die Jataka-Erzählungen aus Buddhas vorigen Leben. Denken wir an die großen Bodhisattvas wie Avalokitesvara und Manjusri. Aber denken wir auch an die vielen Menschen, die gelobt haben, Bodhicitta – den Erleuchtungsfunken –  in sich zu erwecken und den Weg der Bodhisattvaschaft zu gehen. Wir sollten uns auch an diejenigen Menschen erinnern, die selbstlos ihren Mitwesen auf verschiedene Weise helfen, ohne deswegen Buddhisten im strikten Sinne des Wortes zu sein.
Es ist wenig sinnvoll, zu rigide zu sein und zu denken, dass nur Buddhisten den Weg des Bodhisattvas gehen können. Wir sollten nicht zu sehr an doktrinären Formulierungen und Voraussetzungen für den Weg des Bodhisattvas kleben. Aber eine Diskussion darüber kann nicht Gegenstand dieses Aufsatzes sein. Man kann sich das Bodhisattvagelöbnis in einfachen eigenen Worten oder feierlichen traditionellen Formulierungen jeden Tag als Abschluss der eigenen Meditation vergegenwärtigen.

Die Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha wird von allen buddhistischen Schulrichtungen täglich rezitiert, oft vor der Meditation. Hier gibt es verschiedene Formulierungen, lange oder kurze, auf Pali oder Sanskrit, Tibetisch, Japanisch, Chinesisch oder in westlichen Sprachen. Sie werden je nach Schulrichtung verwendet oder man kann auch zwischen ihnen abwechseln, denn diese Formulierungen spiegeln oft verschiedene Aspekte der Lehre. Nach einiger Zeit entsteht vielleicht der Wunsch, diese Zuflucht als bewussten Akt vor Zeugen und mit einem Lehrer zu rezitieren. Mancher mag sagen, das sei doch nicht notwendig, sei nur ein psychologischer Trick. Warum immer Zeremonien?

Vom Geiste jedoch gehen die Dinge aus. Diese Belehrung finden wir schon im Dhammapâda, einem der ältesten bewahrten Lehrtexte. Die sehr bewusste Handlung der Zuflucht schafft auch heilsames Karma. Die äußere Zeremonie kann durch ihr Herausgehobensein aus dem Alltag eine emotionale Aufgeschlossenheit zwischen Lehrer und Schüler bewirken, so dass Intellekt und Gefühl einen Weg zur Ganzheit erschließen. Die so erlebte Zuflucht wird auch ein Schutz im Leben, denn man stellt sich unter den Schutz der Buddhas und der Lehre. Das hört sich nun gleich wieder nach Glaubensreligion an, aber je länger ich selber versucht habe, den Weg des Buddha zu gehen – nunmehr 30 Jahre –, umso mehr habe ich selbst diesen Schutz empfunden. Darüber lässt sich jedoch nicht diskutieren, man kann es nur erfahren.

Vielleicht kann man noch sagen, dass auch der Akt der Zuflucht anfangs eine Projektion des eigenen Geistes, der eigenen Psyche, auf ein Ideal ist. Mit zunehmender Praxis jedoch wird auch die Zuflucht zu einem Werkzeug auf dem Weg. Die vom Geist geschaffene und zuerst nach außen verlegte Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha strahlt zurück und verändert uns.

Wenn man an einer Zufluchts-Zeremonie teilnimmt, ist diese Zuflucht auf den Buddha als vollständig Erleuchteten (sammâ sambuddha) ausgerichtet, denn er repräsentiert Lehre und Gemeinschaft in ihrer reinsten Form. Im Gopaka-Moggallana-Sutta (Pali Kanon: Majjhima Nikaya III) wird es folgendermaßen ausgedrückt:

“Es gibt keinen einzigen Mönch, der mit den gleichen Qualitäten wie der Arahant, der vollständig Erleuchtete, ausgerüstet ist und sie vollständig verwirklicht hat. Weil er der Erschaffer des unerschaffenen Weges ist, der Urheber des Weges ohne Beginn, der Verkünder des Weges, der nicht verkündet werden kann, der Kenner des Weges, den er darlegt. Die Jünger folgen dem Weg, der für sie verkündet und entdeckt wurde, sie haben den Weg nicht selber entdeckt und formuliert”.

Erschaffer des unerschaffenen Weges, Urheber des Weges ohne Beginn – klingt hier nicht schon die Ausdrucksweise in Paradoxen des berühmten Herz-Sutras und des Diamantsutras an? Beides sind Texte des Mahâyâna. Beim Meditieren über den Text des Gopaka-Moggallana-Sutta kann sich die Pforte zum Weg des Buddha öffnen, zum erlebten Gehen des Weges, denn der Weg und der Buddha als Verkörperung der Erleuchtung sind nach meinem Gefühl eins.

Dieses erlebte Gehen des Weges ist auch die erlebte Zuflucht. Hier mag wirklich „sammâ ditthi“ (rechte Einsicht) erfahren werden, nämlich das gefühlsmäßige Erleben der 4 Edlen Wahrheiten. Nur aus dieser Haltung wird ein die ganze Person erfassender Einsatz geboren in Gedanken, Worten und Taten, der durch die Verinnerlichung und Vertiefung schließlich zur Erleuchtung führen kann. Traditionell ausgedrückt wäre dieses gefühlsmäßige Erleben der 4 Edlen Wahrheiten auch der Eintritt in den Strom, d.h. das Überwinden der ersten drei Fesseln: Glaube an ein feststehendes Ego, Festhalten an Riten und Regeln als Selbstzweck, sowie ständige Zweifel.

An dieser Stelle möchte ich zwei traditionelle Zitate anführen:

1. Aus dem Manjusrivikrditasûtrâ: “Heute gehe ich um Zuflucht zum Buddha, zum Dharma und zu der erhabenen Gemeinschaft der Bodhisattvas, dem Sangha, denn sie lassen die Ängstlichen ihre Angst überwinden und sie stellen einen Schutz für die Ungeschützten dar”.

2. Aus dem Mahâparinirvânasûtrâ: “Jemand, der Zuflucht zu den drei Juwelen genommen hat, wird ohne Furcht sein”.

Aber können die drei Juwelen uns wirklich schützen, ohne dass wir die Lehre wirklich zu praktizieren versuchen? So mancher hat mal eben so an einer buddhistischen Zufluchtszeremonie teilgenommen und meint, dann stehe man halt auch noch unter dem Schutz der Buddhas. Man fühlt sich beruhigt, kann ja nichts schaden. Aber das wäre meines Erachtens eine magische Vorstellung und hat nichts mit der bewussten Zuflucht zu tun. Der Akt der bewussten Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha wird deshalb in allen Schulen des Buddhismus als sehr wichtig erachtet. Sehen wir uns die buddhistischen Texte an, so zeigt sich deutlich, wie viele große Lehrer des Dharma sich Gedanken über die Zuflucht gemacht haben.

Hier sollen auch noch drei spätere Beispiele genannt werden. Zuerst Ven. Gampopa, der Begründer der Kagyu-Schule des tibetischen Buddhismus. Er hat in seinem grundlegenden Werk “Juwelenornament der Befreiung” (thar.pa.rin.po.che’i.rgyen – kurz: Dagpo Tarjen) der Zuflucht das ganze achte Kapitel gewidmet, in dem er die verschiedensten Aspekte der Zuflucht beleuchtet. Als kurzer Einblick in diesen Text werden hier einige der Konsequenzen der Zuflucht unter der Überschrift “Drei spezifische Instruktionen” angeführt:

1. Man soll den Darstellungen des Tathâgata (Buddha) Respekt bezeugen, egal ob diese aus Lehm oder kostbarem Material bestehen. Sie repräsentieren den wirklichen und sehr kostbaren Buddha”.

2. “Man soll den gesammelten Werken der (buddh.) Schriften Respekt bezeugen, denn sie repräsentieren den kostbaren Dharma”. In der Praxis bedeutet es z.B. Dharmatexte nicht auf den Fußboden zu legen, oder auf sie zu treten.

3. “Man soll buddhistischen Roben Respekt bezeugen, denn sie repräsentieren den kostbaren Sangha”. (Zitat aus “Gems of Dharma, Jewels of Freedom”, S. 111. Neue Übersetzung von Jewel Ornament of Liberation /Juwelenornament der Befreiung)

Ven. Chögyam Trungpa, ein moderner, jedoch schon verstorbener tibetischer Meditationsmeister, legt auch sehr großes Gewicht auf die Zufluchtnahme und schreibt u.a. in einem Artikel darüber:

In der buddhistischen Tradition geht es bei der Zufluchtnahme darum, aus der Verblendung zu erwachen und sich der Wachheit zu verschreiben. Zufluchtnahme ist eine Sache des Sich-Verpflichtens, aber zugleich auch eine Sache der Offenheit und Freiheit. Durch das Zufluchtsgelübde verpflichten wir uns der Freiheit. Wir neigen dazu, uns allerlei Faszinationen und Selbsttäuschungen hinzugeben, aber nichts erreicht uns eigentlich wirklich je in der Tiefe. Alles in unserer Lebenserfahrung, ob es Spiritualität oder irgend etwas anderes betrifft, ist im Grunde nur unverbindliches Stöbern. Indem wir dieses Gelübde ablegen, beenden wir unser Stöbern im spirituellen Supermarkt. Wir fassen den Entschluss, uns für den Rest unseres Lebens an eine bestimmte Marke zu halten. Wenn wir Zuflucht nehmen, gehen wir eine Verbindung mit dem buddhistischen Pfad ein. Das ist nicht nur die einfachste, sondern auch eine sehr ökonomische Lösung. Von nun an werden wir auf einem bestimmten Pfad sein, der vor zweieinhalb Jahrtausenden vom Buddha und dann von seinen Nachfolgern gebahnt und ausgearbeitet wurde. Hier haben wir eine Strategie und eine Tradition: einen Schulungsweg. Wir brauchen nicht mehr mal hinter diesem, mal hinter jenem herzulaufen”. (Zitate aus “Das Herz des Buddha”, S. 95-96)

Lama Shenpen Hookham, ein Lama aus Oxford (Awakened Heart Sangha) betont ebenfalls die Zuflucht. Sie schreibt folgendes in ihrem Buch “there’s more to dying than death”(Seite 3) (siehe auch unter: books/böcker):

“Für Buddhisten bedeutet die Tatsache, dass es ein Ziel des Erwachens ins Nirvana gibt, sowie der Weg des Dharma, um es zu erreichen und der Sangha, der uns den Weg zeigt, eine stete Hoffnung und Sinn im Leben und im Tode. Buddhisten empfinden dies als ihre sichere Quelle des Schutzes, worauf sie sich verlassen, indem sie zu ihnen “um Zuflucht gehen”. Deshalb hat dieses Gehen um Zuflucht, die am weitesten verbreitete Praxis der buddhistischen Tradition, die Freiheit vom Tod als ihre letztendliche Hoffnung.”

Man kann darüber denken, wie man möchte, aber alle die in diesem Artikel von mir angeführten Zitate zeigen, wie wichtig die bewusste Zuflucht erachtet wurde und wird. Können wir uns im Akt der Zuflucht zu Buddha, Dharma und Sangha wirklich einen Augenblick ganz öffnen, dann mag das schon eine Erfahrung des Geschmacks der Befreiung sein, wo der Geist keinen Ort hat, an dem er stehen bleiben kann.

Ich empfinde die Zuflucht auch als den Schlüssel, der die Pforte in den Garten der anfänglichen Begeisterung über die Lehre des Buddha öffnet. Aus dem Garten führt dann der Weg hinaus, der gegangen werden muss. Er führt durch Wüsten und Oasen, vorbei an kalten Gipfeln und fruchtbaren Tälern wieder zurück in den Garten der Begeisterung, der uns dann vielleicht zum Garten der Erleuchtung geworden ist. Hier erkennen wir, dass wir eigentlich gar nicht weggegangen sind, und doch erst jetzt machen wir uns eigentlich auf den Weg “zum Heile vieler Wesen, zum Wohle vieler Wesen, aus Mitem­pfinden mit der Welt”.

Sarvamangalam!

Dharmavajra

(Zuerst gedruckt in der buddh. Zeitschrift Dhammdûta in Berlin, Mai 202, aber später erweitert)

English title: Refuge to Buddha, Dharma, Sangha – meaningful or not?
Svensk titel: Tillflykt eller ej?

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